s a f R A D
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Der Reisebeginn ist auf Ende August 2004 geplant. Die Route wird mich über Italien - nach Istrien führen. In Pula gibts
dann schon einen ersten Höhepunkt meiner Reise - die Taufe meines Patenkindes Luca.
Weiter gehts der kroatischen Küste entlang nach Albanien. Zum Radfahren ist Albanien landschaftlich sehr reizvoll,
wie es jedoch für eine safRAD-Reise mit der Sicherheit aussieht, muss ich erst noch abklären. Über Albanien hört man vielerlei,
von "dringend abzuraten" bis hin zu "nicht gefährlicher wie irgend ein anderes Land".
Nach ein paar Tagen in Nordgriechenland geht es weiter in die Türkei, genauer nach Istanbul, weiter rund
ums Marmarameer und die Ägäisküste runter. Ich werde in der Südwesttürkei einige safRAD-Partner besuchen und mich dann in
Datca bei Hüsseyn von den Strapazen erholen. (Diejenigen, die schon mal auf der Ägäis-Reisedabei waren, werden mich ums
Essen beneiden.)
Im Zick-Zack gehts durch die Türkei. Antalia - Ankara - Schwarzes Meer bis Hopa (an der Georgischen Grenze)
- um den Berg Ararat nach Van -, um im Nordosten die Grenze zu Syrien zu überschreiten.
Palmyra - Homs - Malula - Damascus stehen in Syrien auf dem Pogramm. Ich habe ein paar Ideen im Kopf, wie man hier eine
Veloreise mit den Ortschaften aus den Büchern von Rafik Schami verbinden könnte. Was sich wirklich daraus machen lässt, wird
diese Reise zeigen.
Der Libanon ist auch für mich etwas völlig Unbekanntes. Die Reiseführer lassen Bestes hoffen: Die Zedernwälder
(einige der Zedern sollen über 1000 Jahre alt sein) - Das lebhafte Beirut - Baalbek (eine der bedeutendsten römischen Stätten)
in der Bekaa-Ebene (Kornkammer des Libanon).
Nochmals kommt ein kurzer Abschnitt durch Syrien, um dann nach Jordanien zu gelangen. Auf jeden Fall fahre ich runter ans
Tote Meer und dann den Königsweg (Teil der antiken Weihrauchstrasse) bis in den Süden. Auf dem Weg nach Akaba, von wo ich
mit dem Schiff nach Nuweiba im Sinai (Ägypten) fahre, liegen das sagenhafte Petra und das Wadi Rum.
Da ich den Sinai schon recht gut kenne, ist eher entspannen und zwischendurch schnorcheln im Camp Basata angesagt.
Kairo und das Niltal werden die kulturellen Bedürfnisse decken. Ich habe im Sinn, bis nach Abu Simbel zu fahren. Für den Rückweg
zum Mittelmeer ist die Oasen-Route durch die Wüste vorgesehen.
Libyen, das ja grosse Anstrengungen macht sich dem Westen anzunähern, interessiert mich für eine safRAD-Reise ganz besonders.
Das ungefähre Datum für die erste Reise steht schon fest. Sie wird Ende März 2006 sein. Zum einen ist dies eine ideale Reisezeit
für Libyen, zum anderen gibt es am 29.9.2006 eine totale Sonnenfinsternis, die von Libyen aus am Schönsten zu sehen sein soll und
die wir uns natürlich nicht entgehen lassen wollen. Vom Velofahrerischen her scheinen mir die beiden Gebirge im Nordosten und
Nordwesten sehr interessant zu sein. Dies haben mir auch alle Erkundigungen bis jetzt bestätigt.
In Tunesien sind mir die Gebiete wieder besser bekannt. Vor allem im Norden gibt es auch da noch einiges zu entdecken.
Die Heimreise von Tunis nach Genua mit dem Schiff wird schnell gehen. Ich hoffe nur, dass ich im Dezember nicht allzu stark
in den Schnee gerate.
Ab September werden Sie auf dieser Seite die neuesten Berichte von meiner Rekoreise sehen.
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Jetzt geht's los. Das Abreisedatum ist auf den 4.9. festgelegt. Ich bin an den letzten Vorbereitungen: Visa beschaffen,
welche Zahlungsmittel sind für welches Land geeignet, Impfungen, Kartenmaterial und Reiseführer kaufen, Zelt, Schlafsack, Kocher
usw. kontrollieren und bereitstellen, Freunde nochmals besuchen, ein letzter Service am Töff und vieles mehr...
Ein bisschen nervös bin ich auch, hört man doch immer vor einer grösseren Reise von überall her, was alles schief gehen kann.
Vor allem als ich dann letzte Woche auf dem Rückweg von Zürich eine Panne hatte und den Fehler nicht genau eruieren konnte.
Ich vermute, es war ein Feuchtigkeitsproblem, und das sollte mir ja auf dieser Reise keine Probleme machen.
Für alle, die sich für die technischen Details bezüglich des Internets interessieren: Die Site werde ich auf einem kleinen
Tablet-PC erstellen. Über das Handy übermittle ich dann die Daten in die Schweiz. In Ländern, in denen der GPRS-Standard
vorhanden ist (Italien, Slowenien, Serbien, Griechenland, Türkei und Ägypten) bin ich also, sofern ich einen Netzempfang habe,
vollkommen autark. In den übrigen Ländern ist die Verbindung übers Handy nicht sinnvoll, da teuer und langsam. Da werde ich auf
den Besuch von Internetcafés angewiesen sein.
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06.09.04
Ich liege unter einer Eisenbahnbrücke an einem Kanal kurz vor Venedig. Eigentlich dachte ich an ein ruhiges Plätzchen, aber kaum
hatte ich mich eingerichtet, ging kaum 20 Meter neben mir ein Gepiepse und Geleuchte von Leuchtdioden los und ein Mann kam aus dem
nahestehenden Auto gesprungen und zog einen Fisch aus dem Wasser. Als er mich sah, begrüsste er mich und entschuldigte sich für den
Lärm. Er sei Fischer und er hoffe, er störe mich nicht allzu sehr. Anscheinend bin ich nicht der einzige Technikfreak. Aber erst
musste ich hier hinkommen. Ich hatte eine sonnige Fahrt bis auf den Gotthard, doch man staune, da fing der Nebel an. Die Alpensüdseite war bewölkt - wenigstens nicht kalt. Unterwegs ist mir ein paar Mal der Gedanke gekommen, ich könnte ja umkehren
und so tun, als wäre das Ganze nur ein Spass gewesen. Ein bisschen hatte ich ja schon ein mulmiges Gefühl mit meiner grossen Reise.
Gegen Fünf bin ich in Mantova angekommen. Die Sonne lachte wieder. Sie gefällt mir schon, diese Stadt. Aber im Sommer war dies eine
richtige Etappe, jetzt nur ein kleiner Zwischenhalt. Nach einem Nachtessen in der Gassenchuchi geht es weiter. Auf einer
Autobahnraststätte fragt mich einer, wohin meine Reise führe. Nach Ägypten. Er schüttelt den Kopf und geht verärgert weiter.
Nach einer weiteren Stunde Fahrt gelangte ich dann eben unter meine Eisenbahnbrücke - mein erster Nachtplatz.
07.09.04
Kurz vor Triest sehe ich das erste Mal das Meer - das Mittelmeer. Es wird mich auf der ganzen Reise begleiten. Ausser Jordanien
reise ich nur durch Mittelmeerstaaten. Dasselbe Wasser und doch so verschiedene Staaten.
Kaum habe ich die Grenze zu Slowenien überschritten, fangen die Pinienwälder an. Ihr Duft bringt mich zurück in alte Zeiten, als
ich mit 18 das erste Mal mit einem eigenen Fahrzeug in die Ferien fuhr. Es war schon eine Art, die Freiheit zu geniessen. In dieser
Art können das Jugendliche von heute kaum mehr, eingeschränkt von Gesetzen, Gewissen und Gesellschaft. Wer hätte 1972 schon an
Luftverschmutzung gedacht, oder dass man die Handy - oder Coiffeurrechnung noch bezahlen müsste, oder an AIDS! Ich glaube, damals
wusste selbst die Wissenschaft noch nicht, dass es so was gibt. Ich war frei und verliebt und konnte machen, was ich wollte.
Das doch relativ kleine Istrien überrascht mich doch immer wieder. Der Norden kräftig grün, auch jetzt im September noch, und
hügelig. Auf den Gipfeln Dörfer - als Paradebeispiel Motovun - und rundum Wälder, wo die Einheimischen mit ihren Schweinen auf
Trüffelsuche gehen. Es ist dies einer der ganz wenigen Orte, wo noch wilde Trüffel gefunden werden. Weiter unten im Süden werden
die Bäume kleiner und weniger häufig und mehr und mehr weicht der Wald dem Buschwerk. Die Hügel werden kleiner und die Erde röter,
auch nach der kommunistischen Ära ist die Erde rot geblieben. Sie ist es wahrscheinlich schon immer gewesen. Das Meer kommt von
beiden Seiten immer näher, bis mich schliesslich in Premantura, südlich von Pula, dem ersten Ziel meiner Reise, beidseitig nur
wenige Meter vom kühlen Nass trennen.
08.09.04
Ich beginne eine Struktur in meine Reise zu bringen. Der morgendliche Gang zum Meer, ein kurzer Schwumm und das Hinausschauen und in
Gedanken bei Renate verweilen, dann kann der Tag beginnen. Viele Kleinigkeiten sind zu erledigen: Geld am Töff verstecken, umpacken
was sich als nicht praktisch erwiesen hat, Kroatienkarte studieren für die Weiterfahrt und vieles mehr. Dann fahre ich in die Stadt
hinein. Erinnerungen werden wach. Das Flanieren abends auf dem grossen Platz, die Disco - und natürlich Mirella! Über beide
Ohren war ich verliebt. Was wohl aus ihr geworden ist? Was wäre aus uns geworden? Vielleicht wohnt sie noch hier. Ich würde sie
gerne treffen, aber wahrscheinlich würde ich sie nicht mal mehr erkennen. Sie wird ja auch 32 Jahr älter geworden sein.
Am Abend dann die Taufe. Wir fahren nach Medulin, einem Nachbardorf. Der Pfarrer im hiesigen Dorf wollte zu viele Papiere und
Bescheinigungen sehen. In Medulin empfängt uns ein alter Pfarrer, mit seinen ca. 80 Jahren hat er sein Amt aller Wahrscheinlichkeit
nach noch im kommunistischen System begonnen. Zwar als nicht gerade verfolgter, aber doch ungern gesehener Staatsbürger, ist er dann
vor 10 Jahren plötzlich ein angesehener und wichtiger Mann im Dorf geworden. Wie ist das wohl für jemanden, der den Pfarrerberuf
vielleicht auch gewählt hat, weil er sich für eine unterdrückte Minderheit einsetzten wollte, wenn dann nach 40 Jahren Berufsleben
alles ändert?
Die Taufe selber war äusserst einfach. Der Pfarrer war sehr freundlich und hat uns in seinem doch recht guten Deutsch über alle
Einzelheiten informiert und uns Geschichten über den Evangelisten Lukas erzählt, weil mein Patenkind den Namen Luca bekommen hat.
Am Freitag besuchen wir die Baustelle das Hotels in Vinkuran, das die Eltern meines Patenkindes bauen. Ein wenig oberhalb des Meeres
mit herrlichem Ausblick auf die Bucht gelegen. Von aussen sieht es schon fast fertig aus, aber innen gibt es noch viel zu tun.
Einmal fertig gestellt, wird es sicher zu einem Geheimtipp. Wer sich näher dafür interessiert:
www.triluka.ch
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11.09.04 Abfahrt Istrien
Die kroatische Küste ist einfach einmalig. Meistens steigen die Felsen direkt aus dem Meer mehrere hundert Meter hoch an, dazwischen
kleine Buchten und manchmal schmiegt sich ein Dorf mit einem Hafen an den Berg. Die Strasse führt einmal hoch über der Küste, mit
Aussicht über die Buchten, die sich eine an die anderereiht, dann wieder direkt am Meer entlang - und das über fast 1000 km. Ausser
in Sibenik, da wird die Pracht von Industrieanlagen unterbrochen. 60 km vor Dubrovnik, Staatenwechsel. Über 10 km gehört die Küste
zu Bosnien-Herzegovina. Das ist der Ort zum Tanken (das Benzin ist billiger) und um meinen ersten Bericht abzuschicken. (Sie haben
GPRS) Aber genau jetzt versagt mein PC. Ich versuche alles Mögliche, aber über das Eröffnungsbild komme ich nicht hinaus, dann
blockiert alles und mein schöner erster Bericht sitzt ungelesen auf der Festplatte. Für mich ziemlich ärgerlich, da ich angefangen
habe, Freude am Berichte schreiben zu bekommen. Immer nur von Internetcafes aus schreiben, ist dann doch wesentlich mühsamer.
Vielleicht lässt der PC sich in Istanbul reparieren, da bleibe ich dann ein bisschen länger.
Erstaunt bin ich über den Zustand von Dubrovnik. Im Krieg hörte man, dass die Stadt bei den Bombardierungen stark zerstört worden
sei. Davon ist nichts mehr zu sehen. Man sagte mir, sie sei vor allem mit EU-Geldern wieder aufgebaut worden.
Früher als erwartet erreiche ich die Grenze. Eigentlich meinte ich, dies sei jetzt Serbien, aber die Zöllner heissen mich in
Montenegro willkommen und andere fragen mich, wie mir Montenegro gefalle. Wo bin ich denn hingekommen? Ich dachte immer, das könne
nur Amerikanern passieren, nicht zu wissen, in welchem Land sie sind. Und dann die Währung - alles ist in Euro angeschrieben. Ist
denn die EU-Erweiterung so weit in den Osten fortgeschritten? Abends auf dem Zeltplatz lasse ich mich von Nebajsa aufklären.
Serbien-Montenegro heisst das Staatsgebilde, nur fühlen sich die meisten Montenegriner nicht als Serben und die offizielle Währung
sei der Euro. Nebajsa ist ein Velotourenfahrer und hat mit ein paar ebenso angefressenen Freunden eine Internetseite mit
Tourenvorschlägen in Serbien-Montenegro erstellt. Sobald ich die Adresse bekomme, könnt Ihr sie hier anklicken. Auch ist er gerne
bereit, Eure Fragen in Englisch zu beantworten. Auch dafür warte ich noch auf seine Adresse.
Überall wo ich hinkomme, in Kroatien, Bosnien-Herzegowina sowie hier in Montenegro, sagt man mir, vor dem Krieg sei es besser gewesen.
Die Leute sind jetzt ärmer (ausser ein paar wenigen) und das mit der Freiheit sei ja unter Tito auch nie ein Problem gewesen.
Wenn ich erzähle, dass ich nach Albanien wolle, erschrecken die Leute. Da werde man nur überfallen und sei seines Lebens nicht
sicher. Bei genauerem Nachfragen kommt da allerdings eine Antwort wie: Ich habe zwei Australier getroffen, die von Griechenland her
kamen, und die haben auch einen Bogen um Albanien gemacht, weil es zu gefährlich sei.
Als ich dann vom Meer wegfahre Richtung albanische Grenze und der Verkehr immer weniger, die Strassen immer enger und die Landschaft
immer wilder wird, bekomme ich schon ein bisschen ein mulmiges Gefühl. Die Grenzabfertigung dauert zwar, bis ich alle Formulare
ausgefüllt habe, mein Pass gestempelt ist und alle Gebühren bezahlt sind, aber die Zöllner sind freundlich und schicken mich mit
besten Wünschen auf die Reise. Die Landschaft ändert sich schlagartig. Während vorher alles wild und hügelig war, ist hier jeder
Quadratmeter kultiviert und flach mit breiten Flussbetten.
Dann nach 10 km der erste Ueberfall. Die Strasse ist mit mehreren Autos versperrt und als ich mich nähere, springen ein
paar schwarz gekleidete Männer auf mich zu - das heisst, nicht auf mich, sondern in ihre Autos, um mir Platz zu machen. Und sie
winken mir noch nach. In dieser Art verlaufen dann auch die nächsten Überfälle.
Die Strasse nach Tirana ist grösstenteils in perfektem Zustand. Nur in der Nähe von Dörfern hat es vereinzelt Schlaglöcher. Aber
nirgends sehe ich diese Strassenabschnitte, wo man sich kaum mehr um die Schlaglöcher vorbeischlängeln kann. Der Verkehr besteht
aus Reitern, Eselswagen, Velos und Mercedes, aber das Verkehrsaufkommen ist gering. Vor Tirana nimmt es dann allerdings massiv zu.
Mühsam schlängle ich mich in der Mittagssonne durchs Chaos, aber erreiche schliesslich doch das Zentrum, wo ich nach einem
Telefonat mit Ramazan freundlich empfangen werde.
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Albanien, Griechenland, Türkei
Ich bin bei Ramazan zuhause. Er ist Instrumentenbauer und arbeitet an der Musikakademie in Tirana. Freunde von mir sammeln in der
Schweiz gebrauchte Klaviere und schicken die zu ihm. Er repariert und verkauft sie dann und hat so genügend Geld zum Leben. Mit den
ca. 150 Euro, die man so ungefähr als staatlicher Angestellter verdient, kann jemand kaum auskommen, geschweige denn den Kindern
eine anständige Ausbildung bezahlen. Trotzdem, ich habe während meiner Zeit in Albanien keine Armut gesehen. Die Leute sind
anständig gekleidet, eher noch ein wenig eleganter als in Westeuropa, auch Bettler sieht man nicht. Nur der Abfall, der überall
herumliegt, trübt den guten Eindruck. Es bleibt einfach kein Geld mehr für die Abfallbeseitigung, nachdem die Regierenden ihre Autos
gekauft, ihre Häuser gebaut und zur Sicherheit auch noch ihre ausländischen Konten gefüllt haben. Überhaupt soll die Korruption
gewaltig sein. Auch viele Gelder, die für den Aufbau des Tourismus, den Ausbau des Strassennetzes uvm. aus dem Ausland kommen,
versickern auf den langen Wegen durch die Institutionen.
Was mich auch sehr erstaunt hat, ist die Zurückhaltung der Bevölkerung. Auch als einziger Tourist, fühlt man sich kaum beobachtet,
geschweige denn belästigt wie z.B. durch Souvenierverkauf. Sobald man jedoch jemanden anspricht, ist das Interesse da und sie sind
sehr hilfsbereit. Das Strassenbild ist fröhlich und farbig. Es wird auf der Strasse flaniert, man sitzt in den Cafés, trifft sich mit
Bekannten. Es ist schwer vorstellbar, dass es noch vor 15 Jahren keine Bars gegeben hat, überhaupt kein Leben ausserhalb Arbeit und
Familie. Selbst Enver Hoxa, der Parteipräsident, soll sehr spartanisch gelebt haben. Der Architekt, der das Parteigebäude gebaut hat
(siehe Bild), musste für 10 Jahre ins Gefängnis, weil das Gebäude
zu modern geraten war. Die "Prunkbauten" aus der Zeit des Kommunismus gleichen stark jenen in den ehemaligen Ostblockländern,
wuchtig und klobig.
In Tirana gibt es sonst an Sehenswürdigkeiten nicht viel zu sehen. Ausser einer Moschee aus dem 17. Jahrhundert habe ich keine
Gebäude entdeckt, die mehr als 100 Jahre alt sind.
Der Verkehr ist chaotisch. Verkehrsregeln sind unbekannt, ich gewinne den Eindruck, dass selbst die Verkehrspolizei kaum welche
kennt. Ich konnte in den drei Tagen in Tirana nicht herausfinden, ob jetzt mehr Fahrzeuge bei rot oder bei grün über die Kreuzung
fahren. Jedoch habe ich nach einer Weile festgestellt, dass das Chaos nichts mit der Hektik in anderen Grosstädten zu tun hat. Es
wird nämlich trotz allem Rücksicht genommen auf andere Verkehrsteilnehmer: Kommt da einer aus der verkehrten Richtung durch die
Einbahnstrasse, wird Platz gemacht, oder wenn einer auf schmaler Strasse bei Gegenverkehr überholen will, wird halt kurzerhand das
Trottoir benützt, damit's aneinander vorbei geht. Von Fussgängern ist jedoch schon Aufmerksamkeit gefordert. Wenn man sich zwischen
den Abfallhaufen und den Löchern in der Strasse hindurchschlängelt, bleibt nicht viel Zeit, um sich noch umzuschauen. Dazu sind die
vielen Grünflächen da, die auch rege benützt werden. Man joggt, legt sich zum Sonnenbaden oder Schlafen hin, macht seine Morgen-,
Mittag- oder Abendübungen oder trifft sich zu einem Schwatz auf der Parkbank. Auch ich verbringe viel Zeit im Park, lese, schreibe
meinen Bericht und frische mein Türkisch auf, um für die nächsten Wochen vorbereitet zu sein.
Eine kurvenreiche Passstrasse mit wenig Verkehr bringt mich nach Elbasan. Das gibt sicher eine schöne Veloetappe ab für eine
safRAD-Reise. Elbasan ist mit seinen 70'000 Einwohnern im Gegensatz zu Tirana mit 3-400'000 Einwohnern vom Verkehr her wesentlich
ruhiger. Zur Zeit des Kommunismus gab's hier gerade zwei Autos. Das des Militärs und das der Regierung. Die Strassen aber sehen
ebenso lebendig aus. Ich begegne einem älteren Herrn, der von sich sagt, er sei ein Velofreak. Sein weisses Hemd und die Krawatte
lassen zwar zweifeln, aber er zeigt mir voller Stolz sein Bike. Silbern und rot, es fehlen ihm nur noch rote Scheibenräder, die
konnte er in Albanien nicht finden. Ob ich ihm die wohl beim nächsten Besuch mitbringen könnte? Er werde für mich und meine Freunde,
wenn ich wiederkomme, ein Volksmusikkonzert organisieren.
Ab Volre wird die Strecke in den Süden wieder überwältigend. Erst der Küste entlang, dann über einen Pass (1027mM) mit
schwindelerregenden Serpentinen und schliesslich rauf und runter bis nach Sarande.Die Strasse ist so schmal, dass kaum zwei Autos
kreuzen können und mit Schlaglöchern alle paar Meter. Sie ist die grosse Verbindungsstrasse in den Süden. Kaum Verkehr, es ist zu
hoffen, dass das noch eine Weile so bleibt. Sarande ist ein schöner Badeort mit einigen kleinen Hotels. Auch gibt es von hier
Schiffsverbindungen nach Korfu. Ein Ort ideal zum Bleiben und Ausflüge unternehmen in den untersten Süden und zur archäologischen
Stätte von Butrint.
Kaum in Griechenland angekommen, macht das Wetter zu. Ich gerate in so dichten Nebel, dass ich nur noch mit knapp 30 km/h fahren
kann. Zum Glück bleibt es nicht lange so. Die Meteoraklöster entschädigen mich für die Friererei. Aber es zieht mich weiter in die
Türkei. Ich dachte immer, der europäische Teil der Türkei sei ja fast nichts, aber bis nach Istanbul sind es dann doch noch fast
300km. Am Abend erreiche ich nach 3679 km, 27'368 Höhenmetern und 60,12 Stunden Fahrzeit Istanbul.
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Zweiter Teil Türkei
Dritter Teil Syrien, Jordanien
Vierter Teil Rückreise
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