s a f R A D
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Der gleiche Touristenpolizist ist wieder da wie schon bei meiner Ankunft und er versichert mir, er werde mir helfen, bis alle meine
Probleme gelöst seien. Irgendwie kommt mir dieser Satz bekannt vor. Den ganzen Lauf durch die Büros mag ich nicht aufzählen. Als
kleines Beispiel nur die Gebühren. 10 Pfund das Eröffnen meines Ausreisedosiers, 2 Pfund nicht rausgefunden wofür, 21 Pfund für das
Ausstellen der Papiere fürs Töffeinstellen, 1.5 Pfund für Kopien dieser Papiere, 105 Pfund für dass Einstellen des Töffs, 0.5 Pfund
für Kopie des Auslösezettels und 10 Pfund für die Ausfuhrerlaubnis. Wem's schon langweilig wird, die ganze Geschichte hat von 12h30
bis 16h30 gedauert.
Auf der Fähre warte ich anständig mit dem Öffnen meiner Colabüchse bis das Fastenbrechen ausgerufen wird. Eine Gruppe Mekkapilger
ist anscheinend darüber so erfreut, dass sie mich gleich zum Essen einlädt. So richtig wie es sich gehört, mit Datteln und einer
Milch, die aber irgendwie anders schmeckt. Aber so beginnt man das Fastenbrechen richtig.
Als ich das Zollgebäude in Akaba verlasse, bin ich hundemüde und hoffe auf einen baldigen schönen Platz, wo ich mich am Ufer des
Roten Meeres sicher fühlen kann. Am ersten Ort, wo ich zum Meer komme, sind ein paar Zelte aufgestellt und ein Mann begrüsst mich,
ich könne mein Zelt gleich nebenan aufstellen, aber doch zuerst einen Kaffee trinken. Er ist vor 15 Jahren von Deutschland
zurückgekehrt und vermietet jetzt an diesem öffentlichen Strand Zelte. Ich glaube, er hätte noch viel zu erzählen gehabt, aber als
er meine Müdigkeit bemerkt, schickt er mich schlafen. Ersaunlicherweise träume ich nicht mal von Zollbeamten und Büros.
Es geht früh los am nächsten Morgen, denn ich habe mir die Strecke bis Damaskus
vorgenommen und will noch eine Pause am Toten Meer machen. Steinewerfer bekomme ich keine mehr zu Gesicht. Nach ein paar Disskusionen
mit anderen, die zum Teil ähnliche Erfahrungen gemacht haben, wird mir der Grund für diese Agression auch klar. Mit dem Motorrad kann
ich ja kein Jordanier sein, da nur die Polizei Motorräder hat. Syrer, Iraker und Ägypter machen keine Motorradferien und Europa ist
zu weit weg. Also muss ich Israeli sein und dann ist diese Aggression in einem Land, wo sehr viele Palästinenser leben, irgendwie
verständlich. Wenn jemand von euch Lesern diesbezügliche Erfahrungen gemacht hat, besonders würden mich natürlich Radfahrer
interessieren, so schreibt mir doch bitte.
Durch die Wüste Richtung Totes Meer habe ich viel Zeit, meinen Gefühlen nachzugehen. Sie sind sehr gemischt. Libyen traure ich nach
und natürlich ist da auch ein wenig Versagen dabei. Habe ich zu schnell aufgegeben, hätte es nicht irgendwie doch klappen können? Da
ist aber auch die Freude auf der Rückreise zu sein, und an Orten vorbeizukommen, die ich schon kenne, ist für mich auch immer schön.
In Ägypten reuen mich vor allem die verpassten Wüstenstrecken, für das Niltal ist eine Reise ohne eigenes Fahrzeug wahrscheinlich
einfacher. In drei Tagen bin ich in der Türkei und meine Vorliebe für dieses Land habt ihr sicher schon lange bemerkt. Da kann ich
mich wieder in der Sprache der Einheimischen verständigen. Als ich das Tote Meer erreiche, hat in meinem Inneren die Freude gewonnen.
Nachdem mir der syrische Grenzbeamte erklärt hat, dass mein Visum nicht mehr gültig sei und er für Schweizer an der Grenze keines
ausstellen könne, es aber dann doch ohne weitere Probleme geht, fahre ich Richtung Damaskus. Die Idee, im Zentrum was Kleines zu
essen und dann weiter auf den Zeltplatz zu fahren, klappt nicht ganz. Vor Damaskus gerate ich in einen ein Stau, in dem ich 45
Minuten lang stecke. Nun ist dieser aber nicht zu vergleichen mit einem Schweizerstau. Aus der 3-spurigen Strasse wird eine 4- bis
6-spurige. Von rechts und links wird gedrückt und vorbeigeschlängelt, dann steht man wieder direkt neben einem grossen Laster, der
einem seine schwarze Abgaswolke direkt ins Gesicht bläst. Ich fühle mich glücklich, als ich dem Stau entfliehen kann, nur wo bin ich?
Es ist schon dunkel, und wenn man nicht gerade auf der Hauptstasse ist, sind die Richtungsschilder sehr rar. Nach vielem Fragen, wo
ich in zum Teil entgegengesetzte Richtungen gewiesen werde, finde ich dann doch noch meinen Zeltplatz. Ich beschliesse ohne Znacht
ins Bett zu gehen. Zum Einkaufen kann ich mich nicht mehr aufraffen. Als ich aus der Dusche zurückkomme, lädt mich der Busfahrer
einer australischen Reisegruppe ein, sie hätten viel zu viel zu essen. Es gibt Couscous und Kamelsteaks. Dazu Bier und Wein. Leicht
beschwipst lege ich mich zur Ruhe.
Ich widme mich wieder mal meinem Motorrad. Ich bereite es für kältere Regionen vor und schliesse die Griffheizung an. Die Batterie
hat ein wenig Wasser nötig und die Lichter und Spiegel vertragen auch eine Reinigung. Die abreisenden Australier bieten mir noch
Verpflegung für mehrere Wochen an, aber leider nicht den Kühlschrank dazu. Auf ihrem Weg von Kairo nach Istanbul könnte ich sie noch
ein paar mal treffen.
Nach einem Ruhetag sind mein Töff und ich wieder
fit. Das Wetter weniger. Auf meinem Weg nach Tartous sieht es ein paar Mal nach einem heftigen Gewitter aus. Es regnet vor, hinter
und neben mir, aber ich bleibe trocken, und als ich mich Tartous nähere wird es wieder wärmer und die Sonne hat alle Wolken
verscheucht. Der Pensionsbesitzer freut sich, als er mich sieht, und ich muss ihm die ganzen Erlebnisse meiner Reise erzählen. Und
ich freue mich in Tartous zu sein. Diese Stadt hat es mir irgendwie angetan. Selbstverständlich gehe ich mir den
Ramadanschlussknall anschauen. Direkt am Meer entdecke ich ein kleines Teehaus. Dort verabschiede ich
mich von Syrien. Ich habe noch 150 Kilometer bis zur türkischen Grenze. Die werde ich morgen unter die Räder nehmen.
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Ganz im Norden von Syrien wird die Küste dann doch noch attraktiver, die Strasse schmaler und es hat ein paar schöne Buchten, die
einem zum Baden einladen würden, wenn es mich nicht weiterziehen würde. So schnell wie diese Grenze habe ich schon lange keine mehr
überschritten. Ein Stempel nach dem anderen und nach einer guten halben Stunde bin ich wieder auf türkischen Strassen unterwegs.
Die Stasse dem südlichsten türkischen Küstenabschnitt entlang ist eine Schotterpiste, die meistens nur 2-3 Meter vom Meer entfernt
ist. Auf den 40 Kilometern kommt mir ein Auto und ein Motorrad entgegen. In der Mitte eine Polizeikontrolle. Da wird mir nochmals
der Unterschied zwischen jordanischen Kontrollen (Passport - where you go? - OK) und hier bewusst. Von acht Soldaten werde ich
umringt und ausgefragt nach Woher und Wohin, wie schnell und Anzahl Zylinder. Dann noch ein Gruppenfoto ums Motorrad und am Schluss
meint der Chef noch fast entschuldigend, er sollte noch den Pass sehen.
Nochmals eine Sternennacht in der Einsamkeit. Das einzige Geräusch, das ich höre, ist das Meeresrauschen und die Light Show der
Sternschnuppen bietet die dazugehörige Unterhaltung.
Ich habe sehr wechselnde Stimmungen. Sobald ich auf dem Töff sitze, zieht es mich heimwärts, und wenn ich an einem schönen Platz
Halt mache, und deren gibt es viele, kommt wieder Ferienstimmung auf. Ich geniesse beide Stimmungen. Den nächsten Abend verbringe
ich auf einem Camping am Meer zusammen mit einer Familie aus Ankara, die hier den Ramazan Bayrami (das Ramadanschlussfest) feiert.
Sie sind ganz neidisch auf mich, weil ich die Türkei so gut kenne und schon an viel mehr Orten in ihrem eigenen Land war als sie
selbst. Am späteren Abend kommen wir dann noch auf die Politik zu sprechen. Bei diesen Leuten handelt es sich sicher nicht um
irgendwelche Extremisten, der Laizismus (Trennung Staat - Religion) ist für sie etwas vom Wichtigsten, aber Bush wird nur mit Hitler
verglichen. Mit dem letzten Raki stossen wir noch auf die EU und auf jene an, die dabei sein möchten und nicht dürfen und auf jene,
die nicht wollen.
Die Strecke zwischen Silifke und Gazipasa ist wieder ein ganz besonderer Leckerbissen. Grün bewachsene Berghänge, das glasklare Meer
und dazwischen eine schmale Strasse. Nach Gazipasa wird diese dann allerdings immer breiter und bald zur 6-spurigen Autobahn.
Gespannt bin ich aufs Tanken. Wer meine Liste mit den vielen Zahlen verfolgt hat, hat vielleicht bemerkt, dass der Verbrauch, seit
ich syrisches Benzin getankt habe, von ca. 4,6 Liter pro 100km auf 5,7 gestiegen ist. Schon lange frage ich mich, ob das möglich ist,
dass das Benzin in gewissen Ländern so viel schlechter ist oder ob etwas mit den Motoreinstellungen nicht stimmt. Tatsächlich, jetzt
wo ich wieder türkisches Benzin tanke, ist der Verbrauch auf die früheren Werte gesunken.
Ich habe vor, den Abend in Side zu verbringen.
Als ich mich dann aber zwischen Ruinen, Souvenierläden und einer Touristenmasse, wie ich sie noch kaum gesehen habe, durchschlängeln
muss, mache ich kehrt und fahre weiter. Als ich in Antalya ankomme, ist es schon dunkel. Ich stelle mir vor, was Kleines zu essen,
um mich dann etwas weiter weg irgendwo in die Natur zu legen. Als vor einem Teppichladen ein Türke meint: "Isch das nöd dä mit em
Velogschäft", bin ich schon sehr erstaunt. Zum einen, dass ich einfach so direkt zu diesem Geschäft hinkomme und noch mehr, dass mich
Rami und Ali nach so vielen Jahren noch erkennen. Bei meiner ersten Türkeireise vor 13 Jahren bin ich gleich zu Beginn hier gelandet
und habe mich mit ihnen stundenlang über Gott und die Welt unterhalten und sie haben mir jede Unterstützung für unsere geplante
Velotour angeboten. Das Nachtessen sei gleich fertig und das Hotel gegenüber günstig und so bleibe ich nicht nur die Nacht hier,
sondern auch noch den nächsten Tag, was sich als kluge Entscheidung herausstellen sollte. Den nächsten Tag verbringe ich mit Ali
zusammen in der Tür seines Teppichladens und schaue zu, wie auf der Strasse Blumentöpfe, Getränkeharrassen, tote Katzen und vieles
mehr vorbeischwimmt. Übrigens, von wegen Teppichladen: Den ganzen Tag war ich im Laden. Sie haben sich wirklich sehr gefreut über
meinen Besuch. Es sei ja schon gut, Teppiche
zu verkaufen. Aber ohne die wiederkehrenden Besuche der Leute und vor allem derjenigen, die das Land ein bisschen besser kennen und
immer wieder bereisen, hätte er den Laden schon lange aufgegeben. Als ich dann gegen Abend gehen wollte, ist mir plötzlich der
Holzboden vor meinem Bett eingefallen, und dass ich für da einen Teppich kaufen wollte. Wir haben noch viele angeschaut und dabei
einige Biere und Tees getrunken. Am Schluss habe ich dann doch den genommen, den er mir als ersten gezeigt hat. Kamelhaar, ca. 60
Jahre alt, mit ein paar wenigen Stickereien drauf. Ich freue mich schon, ihn auszulegen.
Ich habe mir für die Strecke von Antalya nach Istanbul zwei Tage vorgenommen, aber dann lief es am Morgen so gut. Es war wunderschön
da in die Berge, das Taurusgebirge, hineinzufahren. Da gibt es noch viele Wälder, ein Beispiel dafür, wie bewaldet ganz Kleinasien
einmal war. Es war auch eine Fahrt, die mich auf den Winter vorbereiten wollte. Hatte ich noch am Tag vor Antalya im warmen Meer
gebadet, gab es hier eine deutliche Spätherbststimmung. Feuchte Nebelschwaden und nur noch wenige farbige Blätter an den Bäumen. Ich
nehme an, dass mich der Winter in den nächsten Tagen, sei das schon in Nordgriechenland oder dann spätestens am Gotthard, schnell
einholen wird. Dann, um die 100 km von der Küste weg, Sonne und wieder Hochebenen. Nicht so riesig und einsam wie in Ostanatolien,
aber trotzdem sehr schön. Sie erinnern mich an die Stimmung vor
einenhalb Jahren auf der Busfahrt von Denizli nach Datca, wo meine ersten Gedanken an diese Reise aufkamen. Auf der Strasse kann
man zügig fahren, so dass ich schon gegen Mittag in der Region um Afyon, dem geplanten Übernachtungsort bin. Also beschliesse ich
weiterzufahren. So 200 km vor Istanbul beginnt's mit Nieselregen und auf der Autobahn, schon im Dunkeln, setzt dann auch noch Regen
ein. Der erste richtige Regen auf dieser Reise. Nass, ein bisschen steif, aber nicht mal durchfroren, erreiche ich nach fast 10
Stunden Fahrt Istanbul.
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Ich sitze im Strassencafé, die Sonne scheint wieder, neben mir ruft der Muezin vom Minarett zum Gebet und vor mir auf dem Tisch
stehen ein Glas Boza und Leble. Ich hab's also doch noch geschafft. Es sieht schon mal anders aus, als erwartet. Hellbeige und
dickflüssig, oben drauf etwas Zimt. Beim ersten Probieren kommt mir der Geschmack bekannt vor, aber ich kanns nicht zuordnen. Beim
dritten Schluck ist es dann klar, es schmeckt wie Apfelmus, weniger stark aber eindeutig Apfelmusgeschmack. Auch die Farbe und die
Konsistenz stimmen, nur ein bisschen flüssiger. Aber es ist nicht Apfelmus sondern eben Boza.
Den gestrigen, verregneten Tag hab ich mit Waschen, Schlafen und Lesen verbracht. Heute habe ich mit einem fast schon traditionellen
Kaymakfrühstück begonnen. Dann der Einkaufsbummel. Per Zufall komme ich am
Cagaloglu hamami vorbei. Nicht ein besonders altes, aber eines der
schönsten Hammams von Istanbul. In meinem Türkischlehrbuch spielt auch eine Lektion in diesem Hammam und so ist es für mich klar,
dass meine Schritte mich da hinein führen. Der Hamamci gibt mir ein pestemal (Tuch), das ich mir um die Hüften binde, und ich gehe
ins Bad. Aus den Wasserbecken schöpfe ich mit einer Schale Wasser über mich. Dann lege ich mich auf den göbek tasi
(grosser Stein in der Mitte des Bades) und wärme
mich auf. Nach einer Weile kommt ein kräftiger Masseur und beginnt mit dem kese (rauher Schwamm), mich einzuseifen und abzurubbeln.
Wenn ich's mich nicht schon gewöhnt währe, würde ich mich schämen, bei dem Dreck, den er da noch weg bringt. Dann kommt die Massage.
Kräftig ist sie schon, aber zum Glück nicht wie in meinem Türkischlehrbuch, dort bricht er dem Besucher fast die Knochen. Der
Masseur, er heist Can, fragt mich nach meinem Beruf. Ich hab ja eine Auswahl von Berufen, aber hier im Hammam sage ich natürlich
Masseur, aber erkläre auch gleich, das Shiatsu nicht mit dieser Massage zu vergleichen ist. Von diesem Moment an wird Cans Massage
gleich noch ein wenig intensiver, aber er klagt mir auch von seinen schmerzenden Schultern und unteren Rücken. Also gibt es für mich
das erste Shiatsu in einem Hammam und ein reger Austausch über unsere beiden Massagemethoden. Jeder
zeigt dem Anderen seine Techniken. Als wir dann doch
aufhören, ist Can ganz begeistert von meiner Massage, aber ich habe das Gefühl, er wird doch bei seiner Art bleiben. Beim Gehen
empfielt er mich noch seinen Kollegen, aber ich winke ab und begebe mich in den Ruheraum.
Von Nasredin Hoca, dem türkischen "Dällebach Karri" gibt's eine Geschichte zum Hammam. Er ging eines Tages ins Hammam, wurde aber
von den Angestellten kaum beachtet. Er wusch sich also selber, gab aber beim Gehen trotzdem ein grosses Trinkgeld. Als er das
nächste Mal ins Hammam ging, waren die Angestellten eifrig bemüht, ihn zu umsorgen. Als der Hoca beim Gehen kein Trinkgeld gab,
ärgerten sich die Männer. Hoca sagt:"Euer Trinkgeld habt ihr schon letztes Mal erhalten.
Ich hatte vor, noch einen Tag in Istanbul zu bleiben. Die Wettervorhersagen, die ich mir am Abend anschaue, lassen mich aber meine
Pläne ändern. Für Samstag wird ein drastischer Wetterumschwung vorausgesagt. Schnee soll es geben und die Temperaturen bis auf minus
2 Grad fallen. Das bringt mich zum Packen.
Für meinen Abschiedsmorgen zeigt sich Istanbul nochmals von der schönsten Seite. Die Sonne scheint und ich stärke mich nochmals mit
einem Kaymak für den Heimweg.
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In der letzten Stadt vor der Grenze lasse ich mir noch einmal die Motorradstiefel putzen, verbrauche meine letzten Einheiten auf der
Telefonkarte und setze nochmals das letzte Mal Millionen in Reiseproviant um. Die Grenze passiere ich problemlos und ohne
irgendwelche Gebühren zu bezahlen. Man merkt, ich nähere mich der Heimat.
Auf der Autobahn geht's Richtung Westen. Beim Tanken fällt mein Blick auf den hinteren Pneu. Da schauen doch ein paar Fäden raus!
Ich rolle den Töff nach vorn und entdecke, dass auf einer Fläche von ca. 20 ccm das Profil weggerissen ist. Diese heftige
Seitwärtsbewegung vorher auf der Autobahn war also vielleicht doch nicht nur eine Spurrinne. Ganz langsam und vorsichtig fahre ich
weiter bis zum nächsten Dorf. Einen Töffmech finde ich ja schnell, aber er keinen Pneu der passt. Bis Thessaloniki sind es noch 180
km. Das ist mir zu weit, also fahre ich 20 km zurück nach Kavala. Schon auf dem Hinweg habe ich hier auf dem Zeltplatz übernachtet.
Nach einigem Herumfragen finde ich einen auf Motorräder spezialisierten Pneuhändler. Geschlossen. Um sechs Uhr abends soll er seinen
Laden wieder öffnen, meint sein Nachbar. Also warte ich. Ich glaube, ich beginne mich schon wieder an den Westen zu akklimatisieren:
Ich bin ungeduldig. Als er dann aber wirklich kommt, findet er nach einigem Hin und Her einen passenden Pneu und um acht bin ich
wieder westwärts unterwegs.
In der Nähe von Thessaloniki mache ich eine Essenspause. Ich will noch weiterfahren, damit ich dann am nächsten Tag genügend früh in
Igoumenitsa ankomme. Nach Kozani geht's in die Berge. Jetzt ist es höchste Zeit, einen Übernachtungsplatz zu suchen. Ich habe keine
Lust im Schnee zu zelten. Einem kleinen Kiesweg entlang gelange ich zu einer verfallenen Hütte. Zwei Seitenwände und ein
Wellblechdach stehen noch. Schnell habe ich mich eingerichtet und schlafe bald. Es ist noch dunkel, als ich mehrere
Autos vorfahren höre. Acht Männer
kommen, machen sofort ein Feuer und bringen mir Kaffee. Ob ich denn nicht kalt habe? Aus meiner wohligen Schlafsackwärme verneine
ich, merke dann aber beim Anziehen schon, dass dies eine der kälteren Nächte war. Zu frieren beginne ich erst, als ich auf's
Thermometer schaue: minus 2 Grad und es geht noch 1000 Höhenmeter hinauf. Für die Weiterfahrt ziehe ich alles an, was ich dabei habe.
Es ist auch nötig. Links und rechts von der Strasse liegt Schnee und es weht ein eisiger Wind. Ich bin froh, von den Bergen runter zu
kommen und das Meer bei Igoumenitsa wiederzusehen.
Ich wollte ja am nächsten Morgen die Fähre nach Venedig nehmen, aber die fährt gar nicht mehr. Also buche ich gleich für den selben
Abend nach Ancona. Als ich zum Hafen fahren will, macht mein Töff keinen Wank mehr. Ich höre, dass die Benzinpumpe nicht mehr
arbeitet. Es ist nachmittags um 3 Uhr. Schnell los, vielleicht finde ich noch einen Mechaniker, der offen hat. Erfolglos komme ich
nach einer halben Stunde zurück. Erst mal messen, ob die Pumpe überhaupt noch Strom bekommt. Das Topcase ist offen - war ich so
nachlässig? Es lässt sich auch nicht mehr schliessen, das Schloss ist kaputt - und die neuen Schlösser an meinen Alukisten sind auch
geknackt. Für einen Moment ist die Töffpanne vergessen. Ich untersuche mein Material: Handy, Fotoapparat, Tagesrucksack,
Sonnenbrille, Lesebuch und einiges Kleinmaterial sind weg. Drei Schlösser kaputt, die Alukisten bei den Halterungen eingerissen und
quer über den Sattel ein Schnitt. Zum Glück habe ich den Computer bei mir gehabt, sonst wären mit ihm auch noch alle Fotos weg
gewesen. Nachdem ich 2 1/2 Monate durch "so gefährliche" Länder wie Albanien und den nahen Osten gereist bin fast ohne Probleme und
Pannen, innert 24 Stunden eine Pneupanne, ein Diebstahl mit Vandalenakt und sonst noch eine Panne. Zuerst mache ich nochmals eine
Kontrolle, ob ich auch wirklich alle Travelercheks und Kreditkarten noch habe, dann einen Anruf zum Handyprovider, damit die
Simkarte gesperrt wird, und der leidige Gang zur Polizei. Ich kontere die Moralprdigt, dass ich den Töff halt nicht unbeaufsichtigt
hätte stehen lassen sollen mit dem Hinweis, das ich mich das halt von Albanien und der Türkei nicht gewöhnt sei. Achselzuckend
schreibt der Polizist seinen Rapport. Die Panne ist dann schnell behoben. Als ich den Stecker zum Benzintank rausziehe, um den Strom
zu messen, sehe ich: Auch der ist oxidiert. Reinigen und wieder einstecken und mein Motorrad hat wieder mal keine Ahnung mehr, was
eine Panne ist.
In der Zwischenzeit ist es schon Abend geworden und ich mache mich auf zum Hafen. Um 22:00 soll die Fähre fahren und am Morgen um
10:00 in Ancona ankommen. Im Hafen am Schalter wird korrigiert: 22:30 Abfahrt 12:30 Ankunft. Ich frage einen LKW-Fahrer:
Normalerweise kommt die Fähre um 14:00 an. Mit einer Stunde Verspätung kommt dann die Fähre, und um es gleich vorwegzunehmen, um
15:30 bin ich in Italien wieder auf der Strasse. Aber eigentlich kann ich ja zufrieden sein. Wenn ich an das Anlegemanöver in Ägypten
und Jordanien denke, das stundenlange Rein- und Rausfahren der LKW's und das Warten nach jeder Aktion: LKW rein 15 Minuten, ein Seil
lösen 15 Min, nächstes Seil usw. Hier werden die Seile gelöst, wenn die Lastwagen noch am Hineinfahren sind und das Schiff fährt los,
als sich die Klappe erst gerade zu bewegen beginnt. Das Schiff fährt auf's offene Meer hinaus. Jetzt bin ich ja schon so gut wie zu
Hause.
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Die Fahrt ist gemütlich und erholsam. Ich esse und schlafe gut. Von einem anderen Passagier kann ich mir eine digitale Fotokamera
ausleihen, so dass dieser Bericht trotz der gestohlenen Kamera doch nicht ganz ohne Bilder auskommen muss. Das Zurückschauen auf die
Fahrspur, die das Schiff hinterlässt, lässt mich auch auf meine Reise zurückschauen. Ganz besonders schön ist mir Albanien im
Gedächtnis. Die freundlichen, hilfsbereiten, aber nicht aufdringlichen Leute und die fantastische, unberührte Landschaft. Die
Osttürkei mit seinen riesigen Ebenen und dem Ararat, der Geschichtenerzähler in Damaskus und die Gastfreundschaft in Syrien, die
imposante Schlucht von Petra, das paradiesische Leben in Basata und natürlich die vielen schönen Begegnungen mit Einheimischen und
anderen Touristen.
Die Erfahrung mit der Einsamkeit hat mir persönlich viel gebracht. Und zu spüren, wie das Alleine-reisen anders ist, wenn man weiss,
dass doch einige Leute an einenm denken, auch wenn sie weit weg sind.
Ich denke auch an die Vielen, die mich bei dieser Reise unterstützt haben, ohne die diese Reise nicht oder nur viel schwieriger zu
machen gewesen wäre. Insbesondere sind das:
Dijana, die alle Berichte gelesen, korrigiert und dann online geschaltet hat. Unter
Triluka.ch findet ihr die Site ihres Hotels in Istrien.
Renata, meine Freundin. Sie hat mich in den Momenten der Einsamkeit unterstützt und mit ihr konnte ich
die schönsten Momente per SMS, MMS, Fax und Telefon teilen.
Hanna, die mir ihren Talismann als Schlüsselanhänger mit auf den Weg gegeben hat, damit er mich beschütze
und gesund wieder nach Hause bringe, was er auch bestens getan hat.
Ruedi, der für mich die politische Lage verfolgt hat und mich, wenn etwas für mich Wichtiges passiert
wäre, orientiert hätte. Zum Glück war das diesmal nicht nötig, so wie 2001, als ich am 11.9. am Euphrat, an der syrischen Grenze war.
Beat, der nach meiner Wohnung geschaut und meine Post erledigt hat.
Sabine, die mir den Marantiiis und anderes übersetzt hat, und an die ich mich mit allen archäologischen
und geschichtlichen Fragen wenden konnte.
Alle, die mir geschrieben haben und mir so den Mumm gegeben haben weiterzuschreiben.
Alle, die ich nicht erwähnt habe und die meine Reise mitverfolgt haben.
Um den geschäftlichen Teil dieser Reise nicht ganz zu vergessen, habe ich noch ein paar Fragen an euch:
Welche Gebiete hätten euch als Veloreise am ehesten angemacht
Welche Gebiete hätten euch als Reise ohne Velo am ehesten angemacht
Gibt es Regionen wohin ihr euch konkret vorstellen könnt, auf eine safRAD-Veloreise mitzukommen
Gibt es Regionen, die euch wesentlich mehr interessieren.
Habt Ihr Bemerkungen zu den Berichten
Habt ihr beim Lesen der Berichte eher an Reisepläne gedacht
oder waren sie eher Anlass zum Träumen
Ich würde mich sehr über zahlreiche Antworten freuen auf reko@safrad.ch.
In meinen Träumereien plane ich auch die Fortsetzung dieser Reise. Es fehlt ja immer noch ein Stück, Libyen, und das möchte ich nicht
einfach ersatzlos streichen. Im Frühjahr eine 2- bis 3-wöchige Reise in die Wüste. Ob mit Flugzeug, Schiff, Zug, Bus, mit dem Velo
oder wieder mit dem Töff ist allerdings noch ganz unbestimmt. Klar ist aber, dass alle, die sich für den Newsletter angemeldet haben,
rechtzeitig Bescheid bekommen. Die anderen können das noch nachholen unter: Newsletter. So eine
Schifffahrt ist etwas Schönes zum Abschiednehmen und auch um gleich wieder neues Fernweh zu wecken. Werde ich in 3 bis 4 Monaten
wieder mit dem Schiff unterwegs sein, Richtung Tunesien?
Das Schiffshorn bei der Hafeneinfahrt von Ancona holt mich aus meinen Gedanken wieder in die Realität zurück. Es ist zwar schon 3
Uhr nachmittags, als ich das Schiff verlasse, aber die Sonne scheint und auf der Nordseite der Alpen soll's auch schön sein. Also
fahre ich drauflos. Ich möchte nicht noch im Schnee den Gotthard hinauffahren. Als ich zur Schweizer Grenze komme, will ich schon
wie gewohnt den Töff parkieren und absteigen. Aber der Zöllner winkt mich einfach durch. Ab Faido wirds richtig kalt. Das
Thermometer sinkt unter Null Grad. Und dann der Gotthardtunnel. Ich geniesse den warmen, von den Abgasen aufgewärmten Fahrtwind.
Kurz vor dem Tunnelausgang zeigt mein Thermometer 19 Grad. Ich bin wieder genügend aufgewärmt für die paar Kilometer bis nach Luzern,
wo ich nach bald drei Monaten wieder einmal eine Nacht nicht alleine verbringe.
Am Montag fahre ich dann noch den letzten Rest nach Hause, wie gewohnt bei schönstem Sonnenschein. In der ganzen Zeit wurde ich
einmal auf dem Töff richtig verregnet. Überhaupt habe ich auf dieser Reise vorwiegend positive Erfahrungen gemacht. Keine wirklich
gefährlichen Situationen im Strassenverkehr. Ausser in Italien und Griechenland, wo ich die anderen Verkehrsteilnehmer als aggressiv
empfand, habe ich mich nie bedroht gefühlt, und abgesehen von den Steinewerfern in Jordanien und dem Diebstahl in Griechenland waren
die Begegnungen mit anderen Leuten angenehm und freundlich, auch wenn sie, wie die ägyptischen Grenzbeamten, nicht so wollten wie
ich. Die Ankunft zu Hause ist nicht so spannend wie bei früheren Reisen ohne modernste Kommunikation. Weiss ich doch, dass wenn
irgend etwas Wesentliches passiert wäre, ich innert Stunden informiert worden wäre. Und so ist es auch, das Haus steht noch, in der
Wohnung ist's zwar kalt, aber sonst hat sich nichts geändert und die Freunde trifft man auch so nach und nach. Ich freue mich schon
wieder auf Libyen im Frühjahr und auf die safRAD-Veloreisen und hoffe, Ihr seid auch wieder dabei.
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